Okt 11

Tausende Bahnkunden werden in den nächsten Tagen wieder vergeblich auf ihre Züge warten, da die Lokführergewerkschaft GDL ihre Mitglieder zum Streik aufgerufen hat. Um satte 31% mehr Gehalt geht es in diesem Pokerspiel zwischen Bahnvorstand und Gewerkschaft, das mag viel klingen und so mancher wird sich fragen ob ein Streik das richtige Mittel ist um so eine Forderung durchzusetzen. Gäbe es Alternativen zum Streik die nicht den Zeitplan tausender Menschen durcheinanderbringen? Und seit wann gibt es überhaupt diese Art des Widerstandes?

Mit dem Schlachtruf “Wir sind hungrig!” waren es ägyptische Bauarbeiter die 1152 v. Chr. den ersten dokumentierten Streik losbrachen. Sie arbeiteten am Totentempel in Medinet Habu und zeigten so ihren Unmut darüber, dass sie bereits seit 2 Monaten kein Gehalt (damals in Form von Getreide und Lebensmitteln) bekommen hatten.

Der erste deutsche Arbeitskampf ist auf den 8. November 1329 datiert, damals beschlossen die Gesellen des Gürtlerhandwerks (Metallbearbeitung) in Breslau für ein Jahr bei keinem Gürtlermeister zu arbeiten. Um welche Ziele es dabei ging und ob die Gesellen erfolgreich waren ist leider nicht überliefert.

Mit dem Beginn der Industrialisierung gewann der Streik immer mehr an Bedeutung, zu Ruhm gelangte u.a. der Dockarbeiterstreik von 1889. Londoner Dockarbeiter legten dabei einen Monat für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen ihre Arbeit nieder. Friedrich Engels, Politiker und Wegbereiter der sozialen Gesellschaftstheorie schrieb damals:

Ich beneide Sie um Ihre Arbeit beim Streik der Dockarbeiter. Es ist die meistversprechende Bewegung, die wir seit Jahren gehabt haben, und ich bin stolz und froh, sie miterlebt zu haben. [...] Wenn diese armen geknechteten Menschen, den Bodensatz des Proletariats, die Elendsten aus allen Berufen, die jeden Morgen vor den Toren der Docks um eine Beschäftigung kämpfen, wenn sie sich zusammenschließen können und durch ihre Entschlossenheit die mächtigen Dockgesellschaften erschrecken, dann brauchen wir wahrhaftig an keiner Gruppe der Arbeiterklasse zu verzweifeln.

Ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte schrieb der Streik am 17. Juni 1953, als tausende Ostdeutsche Arbeiter mit Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen gegen die vom Zentralkomitee verordnete Mehrarbeit ohne Lohnausgleich (Normerhöhung) protestierten. Die ökonomische Lage der DDR zu diesem Zeitpunkt war katastrophal und Lebensmittel waren knapp, da goss ein solcher Beschluss Öl in ein loderndes Feuer. Brutal schlug der Staat den Aufstand nieder, verhing Kriegsrecht, es gab 55 Todesopfer und viele tausend Inhaftierungen. Trotz dieser Schreckensbilanz war der Kampf nicht umsonst, die Normerhöhungen wurden zurückgezogen.

Betrachtet man den aktuellen Streik der Lokführer unter historischen Gesichtspunkten, so erscheint dieser Arbeitskampf als ziemlich absurd und unangemessen. Denn es geht hier nicht um bedrohte Existenzen sondern “nur” um ein besonders üppiges Lohnplus. Vielleicht sollte man in Deutschland überlegen, auch andere Formen der Konfliktlösung zu nutzen.

In anderen Ländern gibt es zum Beispiel die Möglichkeit einer Zwangsschlichtung. Dabei benennen beide Parteien einen Schlichter und einigen sich von vornherein, das Ergebnis der Schlichtung anzuerkennen. Das spart Nerven und Betriebe müssen so auch nicht geschlossen werden. Doch bis dieses Konzept eingeführt ist, werden sicher noch oft die Räder still stehen.



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