Der Sensenmann geht um in Hamburgs Clubszene. Gerade viele kleine Clubs – Sprungbretter für unzählige Newcomer-Bands – sind in den letzten Jahren gestorben: Weltbühne, Schilleroper, Tanzhalle und das Mandarin Kasino sind nur einige Beispiele. Das Molotow – legendärer Club am Spielbudenplatz – konnte letztes Jahr nur mit massivem Protest und Spenden gerettet werden. Um ein Haar wären auch im Waagenbau, dem Fundbureau und der Astra-Stube zum Jahresende die Lichter ausgegangen. In letzter Minute und nicht zuletzt unter dem großen öffentlichen Druck konnte die Deutsche Bahn AG dazu bewegt werden, die Mietverträge doch noch für 4 Jahre zu verlängern.
Hamburgs Kulturpolitik ist im Moment ein einziges Desaster, die Forderung des Senats, Kunst und Kultur müsse sich selbst finanzieren ein einziger Irrsinn. Die Gewinner dieses Spiels sind große Veranstalter und Investoren. Traurig wenn Kultur in Hamburg nur noch aus Mario Barth in der Color Line Arena und bunten Musicals bestehen würde. Doch die Prioritäten sind im Moment klar gesetzt. Insbesondere das Leuchtturmprojekt Elbphilharmonie verbrennt viel Geld, auf 450 Mio EUR werden die Baukosten aktuell geschätzt. Das würde locker reichen, alle Hamburger Clubs für die nächsten Jahrzehnte zu erhalten. Doch das verspräche natürlich keine hohe Rendite.
Einziger Lichtblick: in die Diskussion ist seit ein paar Wochen Bewegung gekommen. Seit Ende August halten ca. 200 Künstler das Hamburger Gängeviertel besetzt. Die denkmalgeschützten Gebäude dort gehören zu den letzten urtümlichen Resten Hamburger Geschichte. Das konnte die Stadt freilich nicht davon abhalten, das ganze Areal vor Jahren schon an den Investor Hanzevast zu verkaufen, der 80% der Gebäude abreissen und auf der freigewordenen Fläche Büros und Luxuswohnungen errichten will.
Das ist nicht nur ein Affront für jeden Denkmalschützer. Jahrelang standen die Gebäude leer und ungenutzt während der Kulturszene permanent Räumlichkeiten genommen wurden. Zum Beispiel die des Mojo Club am Beginn der Reeperbahn. Es war das Sprachrohr des deutschen Dancefloor Jazz und Auftrittsort für musikalische Größen wie Moloko, Massive Attack und die Propellerheads. Nach Schließung 2003 drehten sich dann nochmal im neu gegründeten Mandarin Kasino die Discokugeln. Ins Obergeschoss zog die Künstlergemeinschaft Skam ein, doch seit diesem Jahr ist auch damit Schluss.
Für 150 Mio EUR wird an dieser Stelle ein Protzbau aus Stahl und Glas errichtet, die Kreativität beschränkte sich bei der Planung auf den Namen. Die sogenannten Tanzenden Türme sollen an ein Tango-Pärchen erinnern, doch eine Tanzfläche wird man dort vergeblich suchen. Es scheint als wollte man dem Stadtteil auch noch den letzten Rest Individualismus rauben, gleichzeitig steigen die Mieten und vertreiben die Menschen, welche dem Kiez ihren Charme verleihen.
Protest scheint die einzige Möglichkeit zu sein, schlimmeres zu verhindern. Wer sich über den aktuellen Stand der Dinge und die Möglichkeiten des Widerstandes informieren will, findet alles Wissenswerte in dem Heft “Unter Geiern”, einem Produkt engagierter Journalisten die sich aktiv gegen die Gentrifizierung Hamburgs einsetzen. Das Heft kann hier als PDF heruntergeladen werden.
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