Die Mörder des bayrischen Volksschauspielers Walter Sedlmayr sind heute mit ihrer Klage vor dem Bundesgerichtshof gescheitert. Sie hatten gefordert, das Deutschlandradio müsse ihre vollen Namen aus den im Internetarchiv gespeicherten Artikeln zu ihrem Fall nachträglich löschen. Die 1993 zu lebenslanger Haft verurteilten und 2007 bzw. 2008 entlassenen Brüder fühlten sich im Internet an den Pranger gestellt und stigmatisiert.
Doch die Richter urteilten, dass Straftäter keinen generellen Anspruch zur nachträglichen Löschung ihrer Namen in Online-Archiven haben. Die meisten Menschen werden dieses Urteil angesichts der Tat begrüssen, schliesslich geht es um nicht weniger als Mord.
Doch was wäre wohl geschehen, wenn das Gericht nachträglich die Unschuld von Wolfgang W. und Manfred L. festgestellt hätte? Leicht kann man sich eine Bildzeitungs-Story denken, in der die beiden unter Tränen berichten wie sie weder Job noch Wohnung fänden, weil doch schon eine einzige Suche bei Google genüge um die “damalige Wahrheit” wieder ans Licht zu holen.
Es scheint paradox. Einerseits schätzt man das Internet als zuverlässigen Bewahrer von Zeitgeschichte, so kann man im Internet-Archiv der New York Times in allen Ausgaben blättern, die seit dem September 1851 erscheinen sind. Auf der anderen Seite genügt ein fieses Partybild bei Facebook und die Meinung verkehrt sich ins Gegenteil. Denn noch 10 Jahre später könnte dieses eine Bild auf dem Bildschirm eines Personalchefs über ein Ja oder Nein zu einem Jobangebot entscheiden.
Die meisten Internet-Nutzer sind sich bestimmt nicht bewusst, wem sie Zugriff auf ihre Informationen gestatten. Der Gesetzgeber könnte hier eine Menge tun, die Situation zu entschärfen. Etwa die Betreiber von Online-Communities dazu zwingen, jedem Nutzer eine einfache Möglichkeit zum Löschen seines Accounts mitsamt allen gespeicherten Informationen anzubieten. Oder so eine Art Double-Opt-In-Verfahren wie bei Newsletter-Anmeldungen vorschreiben, welches die Nutzer zwingt die Freigabe ihrer Daten explizit zu bestätigen.
Bis es zu Lösungen kommt, wird man noch viel diskutieren müssen. Vielleicht löst sich das Problem aber auch auf andere Weise. So hat Yahoo z.B. vor kurzem seinen Homepage-Dienst GeoCities geschlossen und damit Millionen veralteter Webseiten aus den Anfangstagen des Internet für immer vernichtet. Möglicherweise passiert in einigen Jahren das selbe mit MySpace, Facebook und anderen Portalen.
Im menschlichen Gehirn ist das Vergessen wichtig, um Raum für neue Gedanken zu schaffen. Im Netz sollten die Nutzer stärker Kontrolle darüber erlangen was vergessen wird. Es gibt ja auch durchaus Dinge die nicht verloren gehen dürfen. Etwa das Video vom ersten Schritt der Tochter oder die Fotos vom Super-Urlaub aus der Studentenzeit. Doch technische Systeme können immer versagen, am Ende ist das eigene Gedächtnis vielleicht noch der sicherste Platz für solche Erinnerungen.
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